Wer von Euch kennt noch seine Großmutter oder seinen Großvater? Versucht mal, Euch ein bisschen in das Leben der Großmutter oder des Großvaters hineinzuversetzen. Die Großeltern sind ja in einer ganz anderen "Zeit" als wir aufgewachsen; sie hatten kein Handy – und sie haben womöglich den Krieg miterlebt. Sie hatten ein ganz anderes, meist schwierigeres Leben.
Gehen wir nun gedanklich noch weiter zurück in die Vergangenheit – zu den Großeltern der Großeltern – und zu deren Großeltern – und immer weiter … Wenn wir 1500 mal gedanklich immer wieder zu den jeweils nächsten Großeltern zurückspringen, dann befinden wir uns im Jahre 45.000 vor unserer Zeit!
Zu dieser Zeit – 45.000 Jahre vor heute – lebten unsere Ureltern ganz anders: Es gab kein Facebook, keine Apps und gar kein Internet! Es gab auch keine Shops mit Leuchtreklamen. Es gab noch nicht einmal Häuser – und es gab auch keine Städte! Unsere Ur-ur-urgroßeltern vor 45.000 Jahren lebten in kleinen Gruppen. Sie hatten auch keinen festen Wohnsitz, sondern zogen als Nomaden über das Land. Es gab keine Läden, in denen man einkaufen konnte – nein! Unsere Ur-ur-urgroßeltern ernährten sich alleine durch das Jagen wilder Tiere und das Sammeln von Beeren und Wurzeln. Das Leben war viel härter und entbehrungsreicher als wir uns das heute vorstellen können. Es gab keine Zentralheizung, noch nicht einmal feste Häuser. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug nur knapp 30 Jahre. So war das Leben unserer Ur-ur-ur- … – Großeltern.
Es kam aber noch eine Besonderheit dazu: Vor 45.000 Jahren waren unsere Ureltern nicht die einzigen Menschen zu dieser Zeit. Es gab da noch andere "menschenartige Wesen", die … "Neandertaler". Die Neandertaler waren viel stämmiger und muskulöser. Sie hatten größere Augenwülste und sogar größere, länglichere Schädel.
Nach diesen 5000 Jahren "Zusammenleben" allerdings waren die Neandertaler plötzlich verschwunden – es gab danach keine mehr: Die Archäologen fanden keine Neandertaler-Knochen mehr. Die Neandertaler waren ausgestorben.
Die große Frage, die sich stellt, ist: Warum ist der Neandertaler ausgestorben? Es ist nicht so gewesen, dass unsere Ureltern gegen die Neandertaler gekämpft haben, so wie man sich das hollywood-artig vielleicht gerne vorstellt. Nein, sie lebten lange Zeit in ganz Südeuropa friedlich nebeneinander. Und trotzdem sind die Neandertaler dann ausgestorben! Warum?
Die Antwort auf diese Frage beginnt so: Die Archäologen fanden aus der Zeit, als unsere Ur-ur-ur-Großeltern in Europa lebten, die erste Kunst: Sie fanden nämlich:
Denn diese ersten Kunstwerke unserer Ur-ur-ur-Großeltern – vor 45.000 Jahren – zeigten,
Mit der ersten Kunst haben unsere Ur-ur-ur-Großeltern eine evolutionäre Schwelle überwunden. Diese neue Stufe im Bewusstsein unserer Ur-ur-ur-Großeltern hat dazu geführt, dass sie im Gegensatz zum Neandertaler
Das hat – in der langen Zeit von 5000 Jahren und somit 170 Generationen – dazu geführt, dass die Anzahl der Neandertaler-Menschen immer kleiner wurde, bis die Neandertaler dann plötzlich ganz verschwanden. Die Erfindung der Kunst – diese neue Stufe im Bewusstsein – das machte einstmals den Unterschied aus. Das war der Grund für das Aussterben der Neandertaler.
Auszug aus der Eröffnungsrede "Riss"
von Andy Enroe
Nachtrag: Das Aussterben des Neandertalers aufgrund seines mangelnden Kunstverständnisses ist eine von mehreren Hypothesen. Nach heutiger Erkenntnis kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich nicht auch der Neandertaler künstlerisch betätigte.